Hypertrophe Kardiomyopathie
Eine Herzmuskelerkrankung
Eine Herzmuskelerkrankung
Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist eine seltene angeborene, vererbte Erkrankung des Herzmuskels. Sie ist durch eine Verdickung der Muskulatur in mindestens einem Wandabschnitt der linken Herzkammer charakterisiert, die nicht Folge einer Druckbelastung des Herzens z.B. durch eine Bluthochdruckerkrankung oder einen Herzklappenfehler ist. Die HCM wird unterschieden in eine obstruktive (HOCM), die in ca. 70% der Fälle auftritt, und in eine nicht-obstruktive Form (HNCM). Mit der richtigen Therapie ist eine normale Lebenserwartung durchaus möglich.
In der Hälfte aller Fälle besteht eine familiäre Disposition, anderenfalls nimmt man eine spontane Neumutation, die sog. „de novo“ Mutation, an. Das klinische Erscheinungsbild von HCM ist sehr vielschichtig und reicht von unauffälligen Verläufen über eine hochgradige Herzschwäche mit systolischen und/oder diastolischen Funktionsstörungen bis hin zum plötzlichen Herztod. Neben der Herzschwäche sind schwere ventrikuläre Herzrhythmusstörungen, auch unabhängig von körperlichen Belastungen, ein weiteres ernstzunehmendes klinisches Problem. Häufig zu beobachtende Symptome der HCM sind u. a. Atemnot bei normaler Belastung, Enge-Gefühl in der Brust, Schwindel, Herzklopfen und gelegentliche Bewusstlosigkeit.
Typische Anzeichen der HCM sind:
Die HCM wird durch 3 Veränderungen gegenüber dem Herzen eines gesunden Menschen charakterisiert. Diese sind bei den einzelnen Patienten unterschiedlich ausgeprägt und somit auch unterschiedlich bedeutsam für die jeweilige Beschwerdesymptomatik. Durch Muskelverdickung und Ersatz normaler Muskulatur durch Bindegewebe ist die Füllung der Herzkammer erschwert. Man spricht von einer diastolischen Dysfunktion. Das Blut kann somit nicht normal von der Lunge in die linke Herzkammer einströmen. Es wird in die Lunge zurückgestaut und führt deshalb zur Atemnot. Es kommt deswegen häufig zu einer Vorhoferweiterung, die wiederum Vorhofflimmern auslösen kann. Gleichzeitig ist das Entstehen eines Lungenhochdrucks (Pulmonale Hypertonie) als Folge der HCM möglich. Diese Charakteristika betreffen alle HCM-Betroffenen gleichermaßen, unabhängig davon ob eine HOCM oder HNCM vorliegt.
Ein weiteres Merkmal der HCM ist die mikrovaskuläre Dysfunktion (KMD). Sie ist im Wesentlichen verantwortlich für die Brustenge (Angina pectoris), die wir bei körperlicher oder emotionaler Belastung verspüren. Das Brennen in der Brust entsteht, weil der Herzmuskel zu wenig Sauerstoff bekommt (Ischämie). Als Ursache kommen eine Verdickung der Innenwände kleinster Gefäße – Kapillaren – und eine größere Muskelmasse und ein dadurch höherer Sauerstoffbedarf des Herzmuskels in Betracht. Die Beschwerden sind dem der koronaren Herzkrankheit (KHK) sehr ähnlich.
Für die Symptomatik der Mehrzahl der Patienten ist aber eine dynamische Einengung in der linken Herzkammer verantwortlich. Diese ist überwiegend direkt unterhalb der Aortenklappe (subaortal) lokalisiert und wird hervorgerufen durch eine wechselnde Enge infolge der Verdickung der Herzscheidewand (Ventrikelseptum) und einer sog. Vorwärtsbewegung des Mitralklappe (SAM), welche zunächst durch die erhöhte Flußgeschwindigkeit ans Kammerseptum angesogen (Venturie-Effekt) und im weiteren Verlauf auch ans Septum gedrückt wird (Drag and Force). Im weiteren Verlauf werden die Alltagssituationen und medikamentösen Einflüsse beschrieben, die das Ausmaß der Gradientenbildung und somit auch der Beschwerdesymptomatik bedingen. Neben der häufigsten subaortalen Gradientenbildung finden sich auch Gradienten in der Mitte der linken Kammer (mittseptale) Obstruktion und noch seltener an der Herzkammerspitze.
Die HCM ist eine genetische Erkrankung mit autosomal-dominantem Erbgang. Auch Mehrfach- und Spontanmutationen sind beschrieben.
Die Diagnose der H(O)CM ist eine der großen Herausforderungen in der Inneren Medizin und Kardiologie. Ursachen hierfür sind zum einen häufig unspezifische und darüber hinaus in der Regel stark wechselnde klinische Beschwerden. In einer eigenen Umfrage bei 145 konsekutiven behandlungsbedürftigen Patienten mit HOCM gaben nur 42% der befragten Patienten Luftnot als erste aufgetretene Beschwerde an, gefolgt von allgemeiner Schwäche (36%) und Schwindel (32%). Klassische Herzbeschwerden wie Brustschmerzen = Angina pectoris (18%) und Bewusstlosigkeit (14%) wurden dagegen als erste Beschwerden eher selten angegeben. Häufig wird eine deutlich verzögerte Diagnosestellung berichtet: lediglich bei 34% der befragten Patienten wurde in den ersten 6 Monaten nach Beginn der Symptomatik die korrekte Diagnose gestellt, während bei 41% die Zeit bis zur korrekten Diagnosestellung trotz mehrfacher fachärztlicher Untersuchungen >3 Jahre betrug.
In der Regel haben sich die an HOCM erkrankten Patienten sehr gut an ihre Situation angepasst und schildern selbst bei nachweisbarer und beobachteter Symptomatik eine Beschwerdearmut, die sie subjektiv beispielsweise durch geschicktes oder unbewusstes Vermeiden belastender Situationen erzielen. Eine differenzierte Anamnese hinsichtlich des Auftretens klinischer Symptome in Abhängigkeit von medikamentöser Therapie, Flüssigkeitshaushalt – insbesondere bei älteren Patienten – und der klinischen Begleitumstände ist zwingend erforderlich. So führt der Einsatz bestimmter blutdrucksender Medikamente zur Zunahme der Ausflussbahnverengung und somit auch zur Verschlechterung klinischer Symptome. Auch können die Nahrungsaufnahme, Alkoholgenuss und Flüssigkeitsdefizite, wie z.B. im Rahmen von Durchfallerkrankungen oder Blutungen, zu einer Beeinträchtigung des klinischen Befindens führen. Zeitliche Zusammenhänge zwischen einer der genannten Umstände und einer Verschlechterung der Beschwerden können richtungsweisend für das Vorliegen einer HCM mit latenter, dann aber klinisch signifikanter Obstruktion sein. Die bekannten Einflussfaktoren sind in der Tabelle widergegeben.
Tabelle 1: Medikamentöse und klinische Einflussfaktoren, die zur Erhöhung einer linksventrikulären (Ausflussbahn-)Obstruktion eines Gradienten führen.
Unerwünschte medikamentöse Gradientensteigerung: |
---|
Reduktion Vor- und Nachlast |
• ACE–Hemmer / AT1-Blocker |
• Nitrate |
• Calcium-Antagonist vom Nifedipin-, selten Verapamil-Typ |
Positiv inotrope Medikamente |
• Katecholamine |
• Digitalis |
Klinische Bedingungen mit möglicher Gradientensteigerung: |
Akuter Volumenverlust |
• Blutung und Diarrhö |
Herzrhythmusstörungen |
• Akuter Beginn Vorhofflimmern |
• VVI- Stimulation im Notfall bei induziertem / spontanen AV-Block III° |
Nach Mahlzeiten |
Nach Alkoholgenuss |
Unerwünschte medikamentöse Gradientensteigerung: |
Reduktion Vor- und Nachlast |
• ACE–Hemmer / AT1-Blocker |
• Nitrate |
• Calcium-Antagonist vom Nifedipin-, selten Verapamil-Typ |
Positiv inotrope Medikamente |
• Katecholamine |
• Digitalis |
Klinische Bedingungen mit möglicher Gradientensteigerung: |
Akuter Volumenverlust |
• Blutung und Diarrhö |
Herzrhythmusstörungen |
• Akuter Beginn Vorhofflimmern |
• VVI- Stimulation im Notfall bei induziertem / spontanen AV-Block III° |
Nach Mahlzeiten |
Nach Alkoholgenuss |
Seit der Erstbeschreibung der H(O)CM steht das Risiko des plötzlichen Herztodes insbesondere bei jüngeren Patienten im Blickfeld der klinischen Aufmerksamkeit, da sie die häufigste Todesursache in dieser Altersgruppe ist. Der plötzliche Herztod ist in der Regel Folge schneller Herzrhythmusstörungen aus der Herzkammer (Ventrikuläre Tachykardie) bis hin zum Kammerflimmern. Aber auch das Auftreten langsamer Rhythmusstörungen mit fehlender Überleitung der Herzleitung zwischen Vor- und Hauptkammer (AV-Blockierungen) wurde beschrieben.
Die Angaben zur Häufigkeit, bzw. dem jährlichen Risiko des Auftretens eines plötzlichen Herztodes in der Gesamtpopulation haben sich in den letzten 2 Jahrzehnten deutlich geändert. Wurde dieses Risiko zur Jahrtausendwende noch mit über 4% / Jahr angegeben, gehen die aktuellen Statistiken von einem Risiko unter 1% / Jahr aus. Eine wichtige diagnostische Aufgabe ist die Identifikation der durch den plötzlichen Herztod gefährdeten Patienten.
Eine wesentliche Erkenntnis bei dem Versuch der Beschreibung des Krankheitsverlaufs ist die Tatsache, dass dieser Verlauf im Einzelfall nicht vorherzusagen ist. Zwar gilt die Beobachtung, dass Patienten mit einem Gradienten im Verlauf ein hohes Risiko für das Auftreten von o. g. Beschwerden sowie das Auftreten von Vorhofflimmerns mit dem Risiko eines Schlaganfalls haben. Der Verlauf ist aber so individualisiert, dass hier keine generellen Angaben gemacht werden sollen. Vielmehr sollte die erstmalige Diagnose einer HCM mit oder auch ohne Gradienten Anlass geben zur regelmäßigen – am ehesten bei gleichbleibender Beschwerdesymptomatik jährlichen – Kontrollen geben. Dabei sollten sowohl die Beschwerden abgefragt als auch Parameter (bes. Herzultraschall, Langzeit-EKG, Belastungs-EKG), die eine Änderung sowohl der Kreislaufbelastung als auch des Herztodrisikos andeuten können, untersucht werden. Zu empfehlen ist diese Untersuchung in einem Zentrum mit Erfahrung in der Betreuung von HCM-Patienten.
Im Folgenden sollen zunächst tabellarisch die diagnostischen Maßnahmen dargestellt werden, die i.R. der Betreuung von Patienten mit HCM und HOCM notwendig sind.
Anamneseerhebung:
Körperliche Untersuchung:
EKG:
Belastungs-EKG und Ergospirometrie:
Echokardiographie:
Kernspintomographie:
Herzkatheteruntersuchung:
Grundsätzlich verfolgt die Behandlung der HCM/HOCM 2 Ziele: Zum einen sollte das Risiko des Auftretens des plötzlichen Herztodes bestimmt werden. Zum anderen ist die Kontrolle der Beschwerden ein wesentliches Behandlungsziel.
Tabelle 2: Bedeutsame klinische Risikofaktoren, die bei der Stratifizierung des 5-Jahresrisiko für das Auftreten eines plötzlichen Herztodes bei Patienten mit HCM berücksichtigt werden.
Risikofaktor | Kommentar |
---|---|
Alter (Jahre) | Zum Zeitpunkt der Evaluation |
Maximale linksventrikuläre Wanddicke (mm) | Transthorakale echokardiographische Messung |
Diameter des linken Vorhof (mm) | Transthorakale echokardiographische Messung |
Linksventrikulärer (Ausflusstrakt-) Gradient (mmHg) | Maximaler Gradient in Ruhe oder Provokation |
Plötzlicher Herztod (SCD) in Familie (Ja/Nein) | SCD jünger 40 Jahre bei einem Verwandten 1. Grades mit/ohne gesicherte Diagnose einer HCM oder SCD in HCM-Familie |
Nicht anhaltende ventrikuläre Tachykardie (nsVT) (Ja/Nein) | Definiert als ≥3 konsekutive VES mit einer Frequenz ≥120/Minute im 24-Stunden Holter |
Synkope (Ja/Nein) | Anamnestisch Synkope unklarer Genese |
© Copyright 2018 – Dr. med. Angelika Koljaja-Batzner, Prof. Dr. med Hubert Seggewiß
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